von Julian Voth
Da die Kirche heute in der außerordentlichen Form des römischen Ritus zum Abschluss der Aschenbestreuung mit dem gleichen Gebet schließt, die in der ordentlichen Form als Kollekte Verwendung findet, habe ich einmal gewagt, einen Blick auf die deutsche Übersetzung zu werfen, wie sie uns heute landaus, landein in den Kirchen begegnet:
»Getreuer Gott, im Vertrauen auf dich
beginnen wir die vierzig Tage der Umkehr und Buße.
Gib uns die Kraft zu christlicher Zucht,
damit wir dem Bösen absagen
und mit Entschiedenheit das Gute tun.«
So fromm, so gut, könnte man meinen. Aber schauen wir uns das Original aus dem lateinischen Missale an:
»Concede nobis, Domine, praesidia militiae christianae
sanctis inchoare ieiuniis,
ut, contra spiritales nequitias pugnaturi,
continentiae muniamur auxiliis.«
Der altehrwürdige Schott, das ehedem verbreitete Volksmessbuch, übersetzt diese Zeilen wie folgt:
»Laß uns, o Herr, den Wachtpostendienst des christlichen Kampflebens
durch heiliges Fasten antreten,
damit wir im Kampf mit den bösen Geistern
in der Enthaltsamkeit Halt und Hilfe haben.«
Ein ganz kleiner Unterschied, der sogar jenen auffallen sollte, die sonst wenig für liturgische Feinheiten übrighaben.
Es scheint mir recht offensichtlich zu sein, dass die Übersetzer des Neuen Messbuches jegliche Termini technici des Soldatenhandwerks vermeiden wollten. Dabei ist es gerade die älteste Tradition der Christenheit, das geistliche Leben als beständigen Kampf zu betrachten. In diesem Gebet vernehmen wir den Nachklang, das Echo von Epheser 6,10ff: Zieht an die Waffenrüstung Gottes!
Militia ist der Kriegsdienst, das Kampfleben, wie hier, im Genitiv, vor allem der Feldzug. Es ist nicht irgendein Feldzug, keiner der vielen Kriege, die die Welt immer wieder geißeln. Hier ist die Rede von dem Krieg, der als einziger immer und ohne Zweifel als bellum iustum gelten kann: der Kampf gegen Mächte und Gewalten.
Das praesidium, der Schutz, der Posten, lässt an die Disziplin der römischen Legionen denken, die auf dem Feldzug nie ohne Schanzwerkzeug unterwegs waren. Selbst nach den Anstrengungen von vielen Gewaltmärschen warfen sie vor der ersehnten Nachtruhe erst einen Wall auf, richteten Wachstellungen ein. Die Parallele zum Christenleben ist nicht zu übersehen. Dieses Leben ist die Zeit des Feldzugs, des Auf-dem-Weg-Seins, nicht die Zeit der Ruhe und des Friedens. Wollen wir die genießen können, müssen wir uns zunächst rüsten, bereitmachen, wachen.
Um diesem Motiv treu zu bleiben, ließe sich munire auch mit befestigen übersetzen: Die Enthaltsamkeit ist unsere geistliche Burg und damit unser Halt und Schutz.
Auxilium ist die Hilfe, der Beistand, im abstrakten wie im konkreten Sinne. Aber im militärischen Kontext der Antike denken wir an die leichten Hilfstruppen, welche die Vorhut und den Flankenschutz der schweren Legionäre bildeten. Das Fasten lässt sich somit sehen als unsere Hilfstruppe, als unsere Unterstützung im Streit gegen die Welt, den Teufel, das Fleisch – es ist niemals Selbstzweck, sondern Mittel zum Ziel. Dieser Gedanke durchzieht die gesamte Oration.
Die Logik des Gebetes ist nämlich folgende: Wenn Gott unserem Fasten Heiligkeit gewährt, dann wird die Enthaltsamkeit uns im Kampf gegen die bösen Geister – innere und äußere – ein Halt und eine Hilfe sein.
Aber noch einmal zurück zum militärischen Motiv, das wir so oft in Gebeten, Hymnen und geistlichen Texten finden. In der Sekret der außerordentlichen Form taucht noch ein weiteres, in diesem Kontext besonders wichtiges Wort auf: Sacramentum.
Auf den ersten Blick könnte man vielleicht meinen, hier ginge es um das Sakrament des Altares, um die Feier der hl. Eucharistie. Aber vor allem redet die Liturgie hier in der Sprache der Kirchenväter, für die das ehrwürdige Sakrament das Osterfest selbst war. Heute beginnen wir also die Heilszeit, das sacramentum quadragesimale.
Lange bevor das Wort Sakrament ausschließlich für unsere sieben Sakramente stand, bezeichnete es alle heiligen Handlungen und Zeichen - in dem Wissen, dass sie alle Ihn, Christus, zum Urheber und Quell haben. Das lateinische sacramentum übersetzt das griechische mysterion, das Geheimnis. Aber zunächst, erst Tertullian sollte das Wort in den christlichen Dienst stellen, war das sacramentum der Treueid der Soldaten, die Verpflichtung zum Kriegsdienst.
In der griechisch-lateinischen Synthese kommen schließlich beide Elemente zum Ausdruck. Wenn wir also von der heiligen Fastenzeit sprechen, diesem Sakrament in Christus, dann meinen wir sowohl das geheimnisvolle Wirken Gottes in uns, als auch unsere moralische Verpflichtung, unsere Einwilligung in seine Werke – unseren christlichen Treueschwur.
Im Keim stecken hier auch die Christusmysterien, das arcanum Christi. Im sacramentum der vierzig Tage wollen wir in das mysterion des Gesalbten eindringen, und seinem Beispiel in der stillen Heimlichkeit der Wüste folgen. Von diesem Blickwinkel aus gesehen – es ist der, den die Kirche uns besonders im klassischen römischen Ritus vorstellt – ist der Fastenfeldzug der Weg in das Geheimnis Christi. Hier sehen wir im Fasten selbst schon die imitatio Christi, den Beginn des mysterium paschale, des Ostergeheimnisses in unseren Seelen.