Die Existenz der Hölle

von Julian Voth

Wenn man überhaupt noch von der Hölle redet, dann zumeist, um ihre Existenz zu verleugnen. Man hört da so etwas wie: „Gott ist zu gut, als dass es eine Hölle geben könnte!“ Damit wird aber gleich schon eine ganz entscheidende Tatsache verdreht, die Schuld umgekehrt. Nicht Gott ist für die Hölle verantwortlich, sondern der Mensch.

Gott hat uns gegenüber immer seine unendliche Güte gezeigt. Aber trotzdem kann er dulden, dass der Mensch ihm widersteht. Jetzt mag einem wiederum vorgehalten werden: „Aber Gott verzeiht!“ Genau das tut er. Alles, wirklich alles verzeiht Gott, sobald das Herz Reue empfindet. Aber ohne Reue kann keine Sünde verziehen werden. Die Sünde fordert eine Welt, die wie die Sünde ganz von Gott getrennt ist; sie fordert ein Feuer, das fast so brennt wie das Feuer der Liebe. Und selbst hier fehlt das Erbarmen Gottes nicht, denn es bewirkt, dass man weniger leidet, als man verdient.

Die Hölle will nicht dazu passen, was wir von Gott zu wissen meinen. Fast die gesamte Welt hat Gott als den Gütigen, den unendlich Barmherzigen kennengelernt. Aber woher wissen wir etwas von dieser Güte, dieser Barmherzigkeit? Nur aus einem einzigen Buch stammt dieses Wissen, es ist das Evangelium. Und kein anderes Buch hat auch gleichzeitig so sehr die furchtbare Strenge Gottes offenbart. Schauen wir uns einige Stellen an:

Wenn dich aber dein rechtes Auge zum Abfall verführt, so reiß es aus und wirf's von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.“ (Mt 5,20); „Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind's, die auf ihm hineingehen.“ (Mt 7,13); „Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt ... Dämonen ausgetrieben ... Wunderzeichen gewirkt? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt“ (Mt 7,22f); „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ (Mt 10,33); „Der Menschensohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alles, was zum Abfall verführt, und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein.“ (Mt 13,41f); „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“ (Mt 25,29).

 

Das gleiche bei Lukas: „Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden.“ (Lk 8,12); „Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! ... Es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen im Gericht als euch.“ (Lk 10,13); „Er sprach aber zu seinen Jüngern: Es ist unmöglich, dass keine Verführungen kommen; aber weh dem, durch den sie kommen! Es wäre besser für ihn, dass man einen Mühlstein an seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer, als dass er einen dieser Kleinen zum Abfall verführt.“ (Lk 17,1f).

 

Im Johannesevangelium: „Jesus sprach: Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen, sehend werden, und die sehen, blind werden.“ (Joh 9,39); „Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben.“ (Joh 12,25).


Diese Auflistung ist noch längst nicht erschöpfend. Es gibt das Gleichnis vom Menschen, der hinausgeworfen wurde, weil er kein hochzeitliches Gewand anhatte (Mt 22,11-14), die sieben Flüche gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer (Mt 23, 13-31). Da ist auch das beängstigende Gleichnis von den törichten Jungfrauen, die da riefen: „Herr, Herr, mach uns auf!“ Er aber entgegnete ihnen: „Fürwahr, ich sage euch, ich kenn euch nicht!“ (Mt 25,11f).

Am Erschütterndsten ist am Ende die Szene des letzten Gerichtes, die Urteilssprüche, die Strafen: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters! Nehmt in Besitz das Reich, das euch seit Grundlegung der Welt bereitet ist!“; „Hinweg von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das dem Teufel samt seinen Engeln bereitet ist!“ (Mt 25, 34 u. 41). „Diese werden in die ewige Pein eingehen, die Gerechten aber in das ewige Leben“ (Mt 24,46).


Von einer anderen Seite aber kommt eine Überlegung, die vielleicht noch viel schwerer wiegt als all die Schriftworte zusammen. Wenn der ewige Sohn Gottes, der Fleisch angenommen hat, gekommen ist, um am Kreuz zu sterben – er diese unfassbare Erniedrigung und Entäußerung auf sich nahm, um dem himmlischen Vater ein Opfer von unendlichem Wert anzubieten, aus freiem Willen - dann doch, um ein unendliches Übel zu heilen, um die Menschen vor der Sünde zu retten. Wozu diese unendliche Rettung, wenn ihr nicht eine unendliche Not gegenüberstünde?

Natürlich bleibt die Offenbarung der Hölle und ihre Koexistenz mit der unendlichen Güte Gottes ein Geheimnis, das uns erschreckt. Sogar ein Stachel, ein Ärgernis. Vor allem, weil es auch ein unangenehmes Licht wirft auf die Abgründe unserer eigenen Herzen. Es handelt sich um ein Mysterium, nicht aber um einen Widerspruch. Dieses Geheimnis wird uns letztendlich nur im Schoß der Ewigkeit erklärt werden, wenn die Dreifaltigkeit selbst den Vorhang lichtet. In diesem Leben ist der Gedanke an die Hölle eine Herausforderung, die uns antreibt, zu zittern und zu flehen. Wir müssen darum beten, dass unser aufrührerischer Wille niedergerungen wird, damit niemand der unendlichen Güte Gottes widerstehen kann.

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