Über die Beziehung zwischen Staat und Kirche

von Julian Voth

Aus den für das II. Vatikanische Konzil vorbereiteten (und schließlich verworfenen) Dokumenten:

»Die Staatsgewalt kann gegenüber der Religion nicht gleichgültig sein. Sie wurde von Gott eingerichtet, um den Menschen zur Erlangung der wahren menschlichen Vollkommenheit zu verhelfen; sie muss daher ihren Gliedern nicht nur die Möglichkeit geben, zeitliche Güter zu erlangen, sowohl die materiellen als auch die kulturellen, sondern sie muss ihnen auch darin helfen, dass ihnen die geistlichen Güter zur Ausübung eines religiösen Lebens zufließen können. Unter den Gütern aber kann nichts höher geschätzt werden, als Gott zu erkennen und zu ehren und die Gott geschuldeten Pflichten zu erfüllen; diese sind nämlich die Grundlage jeder privaten, ja und auch der öffentlichen Tugend.

    Diese Pflichten Gott gegenüber, geschuldet seiner göttlichen Majestät, sind nicht nur von einzelnen Bürgern zu verrichten, sondern auch von der Staatsgewalt, die in ihren öffentlichen Handlungen die bürgerliche Gesellschaft repräsentiert. Denn Gott ist der Schöpfer der bürgerlichen Gesellschaft und Quell aller Güter, die durch sie zu allen ihren Gliedern fließt. Die bürgerliche Gesellschaft muss Gott also ehren und verehren. Die Weise aber, in welcher Gott zu ehren ist, kann in der gegenwärtigen Heilsordnung keine andere sein als diejenige, die er selbst in der wahren Kirche Christi zur Darbietung bestimmt hat. Dem Kult also, der von der Kirche öffentlich geleistet wird, hat sich die Gesellschaft nicht nur durch einzelne Bürger anzuschließen, sondern auch durch diejenigen, denen die Autorität gegeben ist, die bürgerliche Gesellschaft zu repräsentieren.

    Die Staatsgewalt aber kann sich der Erkenntnis der wahren Kirche Christi erfreuen, weil sie durch die Zeichen der göttlichen Einsetzung und Mission klar erkenntlich ist, mit der ihr göttlicher Gründer die Kirche ausgerüstet hat. Daher obliegt der Staatsgewalt, und nicht nur den einzelnen Bürgern, die Pflicht, die von der Kirche vorgestellte Offenbarung anzunehmen. Auch gilt im Aufstellen von Gesetzen, dass sie den Geboten des Naturrechts entsprechen müssen; dasselbe Prinzip gilt auch bezüglich der positiven Gesetze, sowohl der göttlichen als auch der kirchlichen, durch welche die Menschen zur übernatürlichen Seligkeit geführt werden.«

 

Schema der Theologischen Kommission: Über die Kirche. Kap. 9: Von den Beziehungen zwischen Kirche und Staat sowie der religiösen Toleranz.

AD II/III 1. Typis Polyglottis Vaticanis 1969, S. 178. Ohne Fußnoten.

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